Dankenswerter Weise hat attac einen Schnellkurs in Form einer PowerPoint-Vorlage für Informationsveranstaltungen zu grundlegenden Fakten zu den G20 vorgelegt:

http://www.attac.de/fileadmin/user_upload/Kampagnen/g20-2017/Texte/Attac_G20.pdf

.... lohnt sich ...

 

 

Vorbemerkung:
Nach der Brüsseler Entscheidung pro-CETA und dem vorläufigen "Zurückstellen" von TTIP ist auch für uns ein Abschnitt zu Ende gegangen, auch wenn der Kampf gegen die diversen Freihandels-Abkommen munter weiter gehen wird.
Das erfordert nach diesen 1 - 1,5 Jahren enger Zusammenarbeit neue Positionierungen für unsere Initiative:

1. Wir wollen auf jeden Fall als Gruppe die fruchtbare Zusammenarbeit fortsetzen - und uns nicht bestehenden Formationen anschliessen. Wir suchen die Zusammenarbeit mit allen Gruppen, Initiativen, Parteien und Personen, die wie wir für eine gerechte, faire und solidarische Welt streiten wollen.

2. Wir wollen uns gemäss den gemeinsam gesammelten Erfahrungen der letzten Monate inhaltlich präziser definieren und uns auf neue Vorhaben verständigen.

Wir diskutieren derzeit über grundlegende Fragen des Welthandels und über Fragen von Machtpolitik / Demokratieprinzipien. Die beiden folgenden Texte - Felber zum "Ethischen Welthandel", mein Text zur inhaltlichen Positionierung nach u.a. den Vorgaben aus  Bündnisvereinbarungen zu "Heiligendamm - sind selbstverständlich nicht abgestimmt, auch wenn es viel Zustimmung gab - hier dienen sie den interessierten Leser*innen zur ersten Orientierung über die grobe Ausrichtung unserer aktuellen Diskussionen.

hn, 05.04. 2017

"Gegen die alles dominierende Weltmarkt-Konkurrenz – Mensch und Natur vor Profit!" 

Immer mehr Menschen nehmen wahr, dass die Veränderungen und Probleme in unserer zusammenwachsenden Welt zunehmen:

  • die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auf - hierzulande, innerhalb Europas und weltweit
  • Millionen Menschen leiden unter Hunger  und Krieg, viele leben und arbeiten unter menschenunwürdigen Bedingungen, Kinder wachsen in Armut und Elend auf
  • Unternehmen und Konzerne schreiben Rekordgewinne und entlassen dennoch tausende Mitarbeiterinnen, Politiker und Gewerkschaften scheinen dagegen machtlos zu sein
  • Bildung, Wissen, Gesundheit, Altersvorsorge, die "öffentliche Daseinsvorsorge" werden privatisiert und damit vom Allgemeingut zum teuren Luxusobjekt
  • das Klima verändert sich in rasendem Tempo, aber gegen den Ausstoß von Treibhausgasen scheint es kein Mittel zu geben
  • um Macht- und Einfluss-Zonen, um gefragte Rohstoffe werden Kriege geführt

Diese Entwicklungen sind kein Naturgesetz, sondern die Folge politischer Entscheidungen: Entscheidungen, die wir nicht tatenlos hinnehmen!

Eine andere Welt ist möglich!

Wir verstehen uns als Teil einer weltweiten Bewegung. Wir suchen die Zusammenarbeit mit anderen kritischen Menschen in Gewerkschaften, Umweltverbänden oder Friedensorganisationen, bis hin zu kapitalismuskritischen Gruppen, Parteien und Initiativen. Hervorgegangen aus der Bewegung gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA wollen wir uns als ...............(*)  weiterhin in die gesellschaftliche Auseinandersetzung einmischen.

Wir setzen uns für eine ökologische, solidarische, gerechte und friedliche Weltordnung ein.
Der gigantische Reichtum dieser Welt muss gerecht verteilt werden.

In der herrschenden Logik ist es nur konsequent, wenn die deutsche Kanzlerin für eine marktkonforme Demokratie eintritt.

Der Glaube, der Markt könne es besser und solle dem Staat möglichst viel aus den Händen nehmen, ist trotz vieler erlebter Gegenbeweise tief in den Köpfen verankert. Die Finanzkrise von 2007/2008, die darauf folgende schwere Wirtschaftskrise und die milliardenschweren Bankenrettungen stellten die neoliberale Ideologie zwar kurzfristig in Frage – trotzdem dominiert diese weiterhin Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.
Es herrscht die Auffassung: Gewinne sind für die (Privat-)Unternehmen da, Kosten soll die Allgemeinheit tragen.

Als Konsequenz dieser Politik konzentriert sich der gesellschaftliche Reichtum in den Händen von immer weniger Menschen – und zirkuliert in Form von Kapital auf der Jagd nach Rendite in immer schnellerem Tempo um die Welt. Längst übersteigen die Vermögensansprüche an den Finanzmärkten um ein Vielfaches das, was weltweit an Waren und Dienstleistungen erwirtschaftet werden kann. Immer hektischer suchen die Besitzenden auf den Finanzmärkten nach immer neuen Anlagemöglichkeiten. Regierungen, die mit Umwelt- oder Sozialstandards tatsächlich ernst machen wollen, wird offen mit massenhafter Kapitalflucht gedroht. Platzt die nächste Finanzblase, werden die Rettungskosten auf die Allgemeinheit abgewälzt – und das Spiel beginnt von vorne.

Eine weitere Konsequenz der neoliberalen Globalisierung ist die beschleunigte Jagd nach Rohstoffen, zu deren Sicherung reiche Industriestaaten zunehmend militärische Planungen und kriegerische Interventionen beschließen. In immer mehr Ländern führt dies zu politischer Destabilisierung und Terrorismus, was in und durch die führenden Industriestaaten wiederum zur Rechtfertigung von weiterer Aufrüstung, Militarisierung, zur Aushöhlung demokratischer Rechte und kriegerischen Interventionen benutzt wird. Es droht eine weltweite Abwärtsspirale der Zerstörung und der Entdemokratisierung.

Die Welt ist keine Ware

Wir wollen durch Informationen und Aktionen dazu anregen,  sich mit den gesellschaftlichen Hintergründen auseinanderzusetzen und sich selbsttätig einzumischen. Dabei geht es um vielfältige Alternativen und Perspektiven über die nötigen Abwehrkämpfe hinaus.

- Die internationalen Finanzmärkte und der Welthandel mit all ihren Auswirkungen stellen zentrale Themen für uns dar.
- Dazu zählen auch die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur, eine Steuerpolitik zu Gunsten von Unternehmen und großen Vermögen sowie die unsozialen Renten- und Arbeitsmarkt"reformen".
- Wir bearbeiten grundsätzliche Fragen wie die Kritik am Wachstumsparadigma und entwickelt Visionen zu globalen sozialen Rechten.
- In Folge der heftigen Konkurrenz um die Aufteilung der Weltmärkte sind wir innergesellschaftlich mit einem wachsenden Wohlstands-Chauvinismus und der Zunahme extrem konservativer und faschistoider Bewegungen konfrontiert, der unserer Sicht einer gerechten und solidarischen Welt diametral entgegensteht.


Namensvorschläge aus meiner Sicht:
Was meiner Ansicht nach im Gruppen-Namen vorkommen sollte wären die Begriffe Gerechtigkeit, Solidarität und eine "offene Weltsicht" oder "Internationalität" (im Gegensatz zur mAn bornierten "nationalen", patriotischen oder sonstwie gearteten "Heimat"-Bevorzugung).
Als Gruppenbezeichnung finde ich einen Begriff wichtig, der Aktivität  oder das TUN hervorhebt -  eher eine Aktionsgruppe oder ein Aktionskreis oder schlicht eine Initiative, aber keine Arbeitsgruppe .....

hn, 20./21. März 2017

 

 

Um das Eigentum endlich wieder dem Gemeinwohl zu verpflichten, brauchen wir neue, klare Regeln. Ideen dafür gibt es genug. 

FR, 27.07.2016 - Der Gastbeitrag.

Von Christian Felber

 

Bis zu 15 Milliarden US-Dollar für Manipulation und Betrug. Es wäre auch billiger gegangen, wenn Volkswagen Ehrlichkeit, Transparenz, Nachhaltigkeit und andere Werte konsequent zum Unternehmensziel gemacht hätte. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein für börsennotierte Firmen,und prinzipiell für alle juristischen Personen: Sie verdanken ihre Existenz dem demokratischen Rechtsstaat und sollten deshalb ethische Ziele verfolgen müssen.

 

„Eigentum verpflichtet“, steht im Grundgesetz, und „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen“. Jedes Unternehmen ist gemeint, egal ob in privatem, öffentlichem oder kollektivem Eigentum. Doch wie wird dieser grundgesetzliche Wille überprüft und wie, je nach Erfüllungsgrad, positiv oder negativ sanktioniert?

 

Was liegt näher, als dass Unternehmen neben der Finanzbilanz, die den Mittel-Erfolg misst, eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen, die den Ziel- und Werte-Erfolg misst? „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl“, steht zum Beispiel in der bayerischen Verfassung. Das Ziel ist klar, doch wie wird seine Erreichung gemessen, um zu wissen, wie erfolgreich ein Unternehmen tatsächlich ist?

 

Die Gemeinwohl-Bilanz wird seit fünf Jahren entwickelt und wurde bisher von 400 Unternehmen freiwillig angewandt. Sie misst, in welchem Grad ein Unternehmen die Verfassungswerte Menschenwürde, Gerechtigkeit, Solidarität, Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung lebt. Je höher das Punkteergebnis (maximal 1000 Gemeinwohl-Punkte), desto niedriger, so die Idee, sollen Gewinnsteuern, Zölle und Kreditzinsen sein, und die vorbildlichen Unternehmen sollen Vorrang beim öffentlichen Einkauf oder bei Forschungsprojekten erhalten.

 

In der Folge würden ethische Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen preisgünstiger anbieten können als die unehrlichere, unkooperativere, unnachhaltigere und verantwortungslosere Konkurrenz. Täuschen, Manipulieren, Tricksen, Übervorteilen, Attackieren und Fressen würde unrentabel. Biolandbau würde sich gegen Agroindustrie durchsetzen, erneuerbare Energieträger gegen fossile und nukleare Technologien, ethische Banken gegen Finanzcasino und nachhaltige Mobilitätsanbieter gegen SUV-Hersteller. Aus der kapitalistischen Marktwirtschaft, in der Kostendrücker und Profitmaximierer einen Wettbewerbsvorteil haben, würde eine ethische Marktwirtschaft, in der Unternehmen nur noch dann erfolgreich sein können, wenn sie gleichzeitig die Gesellschaft reicher machen – materiell und immateriell.

 

Bisher überwog bei Regierungen und Parlamenten die Ansicht, dass „ethisches Verhalten“ eine Sache der Freiwilligkeit sei oder nicht definiert werden könne – als würde nicht jedes einzelne Gesetz einen Wert schützen und somit ethisch wirken. Doch die bisherigen Nachhaltigkeitsberichte haben den Kapitalismus nicht einhegen können, oft verkamen sie zu Instrumenten des Greenwashings und Windowdressings. Auch deshalb beschlossen das Europäische Parlament und der Europäische Rat im Dezember 2014 eine Richtlinie über „nichtfinanzielle Berichterstattung“, die bis Ende dieses Jahres in nationales Recht umgesetzt werden muss.

 

Die nationalen Parlamente haben nun drei große Chancen, das Gemeinwohl in der Wirtschaft zu fördern, denn das Bilanzrecht liegt in ihrer Kompetenz. Sie können entscheiden, ob a) die nichtfinanziellen Berichte in den Geschäftsbericht aufgenommen werden müssen, ob sie b) von den Wirtschaftsprüfern oder anderen Zertifizierern geprüft werden müssen und c) ob sie Rechtsfolgen haben.

 

Der juristische Elfmeter für das Gemeinwohl ist aufgelegt. Doch die Lobbies versuchen, die Richtlinie im maximalen Ausmaß zu verwässern. Sie wollen erreichen, dass nur sehr große Unternehmen ab 500 Beschäftigten – warum nicht alle finanzbilanzpflichtigen Unternehmen? – einen Nachhaltigkeitsbericht verfassen und über soziale und ökologische Praktiken, Diversitäts- und Antikorruptionsmaßnahmen informieren müssen. Das ist mehr als nichts. Doch wenn diese Berichte ohne Bezug zum gesetzlichen Geschäftsbericht stehen, nicht geprüft werden und folgenlos bleiben, dann bringt die EU-Richtlinie keinen bedeutenden Fortschritt.

 

Noch besteht die Möglichkeit, sie mit Leben und Wirkung zu füllen. Der Gesetzgeber könnte entscheiden, dass die Berichte messbar und vergleichbar sein müssen und das Ethik-Bilanzergebnis auf allen Produkten, Eingangstüren, Katalogen und Webseiten aufscheinen muss. So könnten zum einen die Konsumentinnen und Konsumenten die gesamte ethische Information abrufen, zum Beispiel via QR-Code. Zum anderen könnte der Bundestag hohe ethische Leistungen mit rechtlichen Anreizen belohnen. Wenn bei der Kreditvergabe, in der öffentlichen Beschaffung und bei der Auswahl der Zulieferbetriebe stets zuerst die Frage nach der Gemeinwohl-Bilanz und deren Ergebnis gestellt wird, nimmt die Marktwirtschaft als Ganze Kurs aufs Gemeinwohl.

 

Das sich abzeichnende Scheitern der TTIP-Verhandlungen bietet eine weitere Chance: Die Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz könnte zur Eintrittskarte für den Ethischen EU-Binnenmarkt erklärt werden, ganz gleich, aus welchem Land die Unternehmen stammen, die Marktzugang wünschen. Je besser das Ergebnis, desto leichter der Zugang. Das wäre das Ende des globalen Lohn-, Sozial-, Umwelt- und Steuerdumpings. Aus einer solchen EU würde vermutlich niemand mehr austreten.

 

Christian Felber unterrichtet an der Wirtschaftsuniversität Wien und ist Initiator des Projekts Gemeinwohl-Ökonomie, von ihm stammt das Buch "Ethischer Welthandel. Alternativen zu TTIP, WTO & Co"  Deuticke Verlag, 224 Seiten, 18 Euro.

 

Die Kritik an CETA inkl. der zahlreichen
Zusatzerklärungen, veröffentlicht von Corporate Europe Observatory im
November dieses Jahres, ist nun auch auf deutsch verfügbar! Bei der
übersetzten Version sind Attac, Campact und Powershift Mitherausgeber.

Ihr könnt diese fundierte Broschüre ab sofort als PDF herunterladen unter:

http://www.attac.de/fileadmin/user_upload/Kampagnen/ttip/Der_grosse_CETA_Schwindel.pdf

Hier die "6 Schwindel", die in dem Papier aufgedeckt werden:

Schwindel Nr. 1: CETA schützt die Rechte von ArbeitnehmerInnen

Schwindel Nr. 2: CETA ist ein ein guter Deal für Umwelt und Klima

Schwindel Nr. 3: CETAs Investorenrechte schützen staatliche Regulierungen
zum Schutz von Umwelt, Klima und Gesundheit

Schwindel Nr. 4: CETA schützt öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheit
und Wasser

Schwindel Nr. 5: CETA schafft einen unabhängigen Gerichtshof für
Investor-Staat-Klagen

Schwindel Nr. 6: CETA sichert Standards zum Schutz von Mensch und Umwelt
30.12.2016 aus jW

 

Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof hat bestätigt: EU-Handelsabkommen müssen von allen 28 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden

 

Andreas Fisahn

 

In den politischen und juristischen Auseinandersetzungen um die EU-Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) ging es auch um die Frage, wer diese und ähnliche Verträge beschließen kann. Die EU-Kommission vertrat die Auffassung, dass Handelsabkommen in die ausschließliche Kompetenz der Europäischen Union fallen. Das hätte zur Folge gehabt, dass nur EU-Institutionen, das heißt das Parlament und der Rat, den Abkommen zustimmen müssen. Dagegen haben die EU-Mitgliedsstaaten eingewendet, dass umfassende Handelsabkommen wie CETA und TTIP auch Politikbereiche betreffen, die in ihren eigenen Kompetenzbereich fallen. Es handele sich deshalb um »gemischte Abkommen«. Die Folge ist, dass zusätzlich alle Gesetzgebungsorgane der 28 Mitgliedsstaaten, also die jeweiligen Parlamente, den Verträgen zustimmen müssen.

Welche Bedeutung die konträren Auffassungen haben, zeigte sich beim Drama um die Zustimmung der Wallonie zur Unterzeichnung von CETA Ende Oktober 2016. Der Position der EU-Kommission folgend, wäre die Zustimmung der Wallonie zu CETA nicht erforderlich gewesen. Nur wenn man CETA als gemischtes Abkommen charakterisiert, musste der belgische Gesetzgeber, der sich aus den Parlamenten der beiden Landesteile zusammensetzt, zustimmen. Die Wallonie hat hart verhandelt und ihre Zustimmung zur Unterzeichnung von Ergänzungen zum Vertragstext abhängig gemacht. Gefordert hatte die Regierung der Wallonie soziale Verbesserungen und die Berücksichtigung regionaler Interessen. Die Unterzeichnung eines völkerrechtlichen Vertrages ist jedoch nur der erste Schritt, am Ende des Vertrages steht die Ratifizierung durch formelle Beschlüsse der Gesetzgebungsorgane. Das letzte Wort über die Zuständigkeit war noch nicht gesprochen.

Schon im September 2013 unterzeichnete die Europäische Union einen »Freihandelsvertrag« mit Singapur, was in der europäischen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt blieb. Der Streit, wer Vertragspartner dieses Vertrages ist, wer ihm also zustimmen muss, wurde schon zu diesem Zeitpunkt virulent. Die Kommission wollte die Frage juristisch klären und bat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um ein Gutachten zu dem Kompetenzstreit. Bei den Verfahren vor dem EuGH legt der Generalanwalt vor der Entscheidung des Gerichts einen Schlussantrag vor, mit dem die Rechtslage ausführlich gewürdigt wird. Der europäische Gerichtshof folgt in vielen Fällen dem Schlussantrag seiner Generalanwälte. Kurz vor Weihnachten hat die Generalanwältin Eleanor Sharpston ihre Auffassung zu den Kompetenzen im Falle des Handelsabkommens mit Singapur dargelegt. Sie meint, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt. Es gebe einige Regelungsmaterien, die in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fallen, andere fielen jedoch in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten. Dazu gehörten die Bestimmungen über den Handel mit Luftverkehrsdienstleistungen sowie allgemein Dienstleistungen, über den Schiffsverkehr, andere Investitionsarten als ausländische Direktinvestitionen, Bestimmungen über das öffentliche Beschaffungswesen, über das geistige Eigentum, Bestimmungen mit grundlegenden Arbeits- und Umweltnormen, die zum Bereich der Sozialpolitik oder der Umweltpolitik gehören, sowie die Schiedsgerichte.

Ganz ähnlich hat am 13. Oktober das Bundesverfassungsgericht entschieden. Es entschied über Eilanträge, mit denen die vorläufige Anwendbarkeit von CETA verhindert werden sollte. Im Ergebnis ließ das Gericht zu, dass CETA vorläufig angewendet wird, das heißt vor der Ratifizierung durch die Parlamente. Aber es machte diese vorläufige Anwendbarkeit von Bedingungen abhängig. Die Bundesregierung sollte sicherstellen, dass ein Ratsbeschluss über die vorläufige Anwendung nur die Bereiche von CETA umfassen wird, die unstreitig in der Zuständigkeit der Europäischen Union liegen. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass CETA Regelungen enthält, die in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fallen. Diese können in Deutschland nicht vorläufig angewendet werden, weil das deutsche Rechtssystem eine solche Möglichkeit nicht vorsieht. Folgerichtig kann der Beschluss über die vorläufige Anwendbarkeit sich nicht auf diese Regelungsmaterien beziehen.

Für die Kritiker von CETA ist die Einschätzung der Generalanwältin ein positives Signal. Folgt der EuGH ihr, kann weiter auf nationaler Ebene Einfluss auf die Entscheidung der Parlamente genommen werden, und die gesellschaftliche Auseinandersetzung um CETA bleibt sinnvoll, weil das Ergebnis durchaus offen ist.

 

Andreas Fisahn ist Professor für öffentliches Recht, Umwelt- und Technikrecht sowie Rechtstheorie an der Universität Bielefeld